Diana Siebert,
Krefelder Wall 20, D- 50670 Köln Tel.: 0221 / 739 18 81
Bericht
über die Tagung des Rats der
Europäischen Grünen Partei
in Helsinki, 5.-7. Mai 2006
Wichtige Bemerkung: dies ist in
keinerlei Hinsicht ein offizieller Bericht, sondern gibt nur persönliche
Eindrücke und Gedanken wieder. Die Themenauswahl richtet sich stark nach den
Arbeitsgruppen und Plena, an denen ich teilnahm, und ist auch hier nicht
vollständig.
Der neue Vorstand
Der Vorstand (Committee) ist für 3,5
(statt normalerweise 3) Jahre vom Rat (Council) gewählt, damit nicht mitten in
der heißen Phase des Europawahlkampfs 2009 ein neuer Vorstand gewählt werden
muss.
Bei der Wahl des neuen Vorstands der Europäischen Grünen am Samstag in Helsinki setzte sich als Generalsekretär
Juan Behrend (Bündnis 90 / Die Grünen) mit 39 Stimmen gegen Johan Hamels
(Groen!, Flandern, 31 Stimmen) durch. Des weiteren gehören dem 9-köpfigen
Vorstand an:
Sprecherin: Ulrike Lunacek (Österreich)
Sprecher: Philipp Lamberts (Wallonien)
Schatzmeister: Johan Hamels (Flandern)
Mitglieder:
Johanna Sumuvuori (Finnland)
Sofia Sakhanberidse (Georgien)
Tommy Simpson (Irland)
Magda Mosiewicz (Polen)
Harry Vasallo (Malta)
Mehr über die 9 Gewählten und die 18 KandidatInnen in ihren kurzen
Selbstdarstellungen unter http://www.europeangreens.org/news/update/april2006.pdf
Welches waren die Kriterien, nach denen gewählt wurde? Nach wie vor sind
geographische und soziometrische Gründe wichtig. Eine zweite Österreicherin im
Vorstand zum Beispiel ist für die meisten der Delegierten nach wie vor
undenkbar. Auch eine Mindestrepräsentation von Parteien-VertreterInnen alter
EU-Länder, neuer EU-Länder und Nicht-EU-Länder wollten die 51 Delegierten von
35 Parteien aus 32 Ländern mit ihren 73 Stimmen gewährleistet wissen. Dass mit
Ulrike Lunacek eine Abgeordnete im österreichischen Nationalrat http://www.gruene.at/personen/ulrike_lunacek/
zur Vorstandssprecherin der EGP kandidierte (und gewählt wurde http://www.gruene.at/aussenpolitik/artikel/lesen/6647/
(mit Foto des neuen Vorstands)), zeigt, dass dieses Gremium und überhaupt die
EGP wichtiger genommen wird als früher. Neben allgemeiner Eloquenz und
Sprachenbeherrschung spielten für die Wahl aber auch inhaltliche Positionen
oder doch Schwerpunkte eine gewisse Rolle. Die Kandidatin der Grünen Zyperns,
Evi Theopemptou, sprach z.B. in ihrer Rede selbst die unterschiedlichen
Positionen ihrer Partei zu der vieler anderer Grüner Parteien in der
Zypernfrage an.
Keine Rolle dagegen scheint gespielt zu haben, dass auch einmal andere der nun
35 Mitglieds-Parteien im 9-köpfigen Vorstand vertreten sein sollten. Denn neben
den größeren Parteien aus Deutschland und Finnland haben es auch die bisher
schon vertretenen kleinen Parteien aus Polen und Malta geschafft, neue Leute
aus ihren Parteien in den Vorstand gewählt zu bekommen.
Es sind nurmehr zwei Mitglieder des bisherigen Vorstands weiter in ihm
vertreten: Sprecher Philipp Lamberts von Ecolo aus Wallonien, bisher einfaches
Vorstandsmitglied sowie Schatzmeister Johan Hamels. Der neue Vorstand wird
sogleich den Kongress der EGP in Genf im Oktober vorzubereiten haben.
Kommunikation in der EGP
Der neue Generalsekretär Juan Behrend machte in seiner Bewerbungsrede
deutlich, dass er eine verbesserte und schnellere Kommunikation in der EGP erreichen
will. Noch immer bringe - trotz Verbesserungen - das zweimonatlich in
Papierforrm wie auch pdf erscheinende update http://www.europeangreens.org/news/update.html
zu spät die benötigten Informationen. Die EGP hangele sich bisher von Council
zu Council. In Zukunft soll es mehr Parteileben in Normalzeiten geben. Wie
schon auf dem Länderrat im Mainz im März sprach er sich dabei für eher
themenorientierte Diskussion und Positionsfindung sowie
Zweier-Parteipartnerschaften aus, selbst wenn es auf Kosten der – meist
naturräumlich orientierten – Regionalnetzwerke gehe (siehe dazu unten unter
Finanzen). Die EGP brauche mehr Kommunikation mit den nationalen Parteien, auch
an der Basis. Es gibt auch eine kleine Arbeitsgruppe, die die Einführung von
EGP-Mitgliederreferenden in das EGP-Statut erörtert.
Workshop zu Individual Supportership
Am Tag zuvor hatte Juan Behrend in dem Workshop zu Individual Supportership
(was ist das? siehe EGP-Statut Art. 6d http://www.europeangreens.org/info/statutes.pdf
der EGP. Arbeitsgruppen: http://www.europeangreens.org/peopleandparties/workinggroups.html
) bereits ähnliches gesagt. Er hält Individual Supportership für eines
der nützlichen Dinge zur Stärkung der EGP. Der Wille zur Einrichtung dieses
Elements ist bei 9 Parteien vorhanden, bei 4 Parteien bislang installiert. Genaueres
im englischen Bericht von Lin Tabak unter http://evohe.be/heerlen/?p=79#more-79
. Die Überlegungen des Workshops konzentrierten sich auf die vorhandenen und
möglichen Vorteile die ein Parteimitglied hat, wenn es Individual Supporter
wird. In den Niederlanden bekommen diese alle 3 Monate einen Newsletter.
Allgemein wird die EGP den Supportern sicherlich mehr Information zukommen
lassen. Aber wichtiger ist das darüber hinaus Gehende: wie können die Aktiven
(die militants) zusammen gebracht werden. Fast zwangsläufig kamen wir
auf das Projekt
Europaweite EGP-Sommerakademie
zu sprechen, die nach derzeitigen Vorüberlegungen im Sommer 2007 stattfinden
soll, eventuell in Frankfurt an der Oder. Hier könnten mehr Supporter mitwirken
als es bei anderen Treffen wie denen der ausschließlich ehrenamtlichen Heerlen
Group, aber auch als bei den EGP-Councils und -Kongressen mit ihrem
verbindlicheren Anspruch möglich ist. Eine solche Sommerakademie sollte „vor
allem eines sein, nämlich erfolgreich“ (J. Behrend). Ich meine, dass der Erfolg
des bündnisgrünen Zukunftskongresses im September sicherlich eine deutliche
Kennziffer sein wird.
Treffen des Green East-West Dialogue’s (GEWD)
offizieller Bericht auf englisch: http://www.europeangreens.org/peopleandparties/networks/gewd.helsinki.pdf
Ukraine
Die Ukrainischen Grünen haben sich bei der Parlaments-Wahl im März nicht
mit einem der 3 großen Parteiblöcke von Juschtschenko, Janukowitsch oder
Tymoschenko verbündet, um im Huckepackverfahren Parlamentssitze zu erringen.
Serhij Kurykin (Partija Zelenych) begründete dies damit, dass alle großen
Blöcke neue Atomkraftwerke bauen wollten. Die Grünen scheiterten aber erneut an
der 3-%-Hürde und konnten nicht an den Erfolg der vorletzten Wahlperiode
anknüpfen. (Ein Blick auf die Wahlamtswebseite http://www.cvk.gov.ua/vnd2006/w6p001e.html
zeigt, dass die Grünen 0,5% (137.858 Stimmen) bekommen haben. Den ukrainischen
Grünen droht nun sogar eine Spaltung (englisch: http://www.greenparty.org.ua/ua/news/new/2006/04/02/ng1600eng.php
ukrainisch: http://www.greenparty.org.ua/ua/news/new/2006/04/02/ng1600.php
).
Russland
Die weitere „De-Ökologisierung Russlands unter Putin“ (Lippelt) ruft
Gegenkräfte hervor. Vom 10.-14. Juli wird in St.Petersburg parallel zum
G8-Gipfel eine Alternatives Energie-Forum stattfinden, zu dem die
Russische EGP-Mitgliedsorganisation Grüne Alternative (Zelenaja Alternativa) im
Rahmen das GEWD einlädt. Diese ist deutlich aktiver geworden
Georgien
Die Menschen sind über die samtene Revolution desillusioniert, Saakashvili
regiert undemokratisch. Die Grünen haben im Dezember Fühler nach Aserbajdschan
und Armenien ausgestreckt und streben eine kaukasische Zusammenarbeit an.
Lesben- und Schwulenpolitik
Der extern eingeladenen Aija Salo, Generalsekretärin von SETA (Sexuelle
Gleichheit in Finnland), fiel es schwer, im Plenum so provokativ zu den
Grünen zu sein, wie es vorgesehen war. Schreiben sich doch immer mehr Grüne
Parteien in Europa den Einsatz für Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transgendern auf die Fahne. Tatsächlich wurde m. W. erstmals im Plenum über das
Thema gesprochen. Frühere Schwierigkeiten von Grünen Parteien mit der Lesben-
und Schwulenfrage scheint es nun nicht mehr zu geben. Die neue
Vorstandssprecherin Ulrike Lunacek ist in der Österreichischen
Parlamentsfraktion für das Thema zuständig. Die polnischen Grünen waren bei den
Märschen für Gleichheit im letzten Jahr und auch jetzt wieder in Krakau dabei,
oft haben sie die Demos angemeldet. Auf Initiative der russischen Grüne
Alternative (Zelenaja Alternativa) wurde eine Resolution gegen die Initiative
der rechten Partei Rodina beschlossen http://www.europeangreens.org/info/resolutions/helsinki25.pdf
. Die in Polen und Lettland zu beobachtenden, gesellschaftlich stark
untermauerten staatshomophoben Tendenzen scheinen auch in Russland Fuß zu
fassen. Vom Europäischen Parlament können wir weniger erwarten als in der
letzten Periode, weil sich die Stimmung gewandelt hat. Wir Grüne sind dort
isolierter als gehabt. Es gibt keine Institutionalisierung, keinen
Monitoring-Prozess, nur im Plenarsaal kann über das Thema verhandelt werden.
Die PolInnen sollten unterstützt werden. Ihre Lage ist kein Schicksal. Das als
katholisch-traditionell geltende Spanien z.B. hat eine bessere Gesetzeslage für
Lesben und Schwule geschaffen als Deutschland. Und im abgelegenen Apulien wurde
der offen schwule Parlamentskandidat gewählt.
Soll nun in Polen die Lesben- und Schwulenfrage einzeln thematisiert werden
oder im Zusammenhang mit Kinder-, Familien-, Gender- und Sex-Politik? Sollen
Briefe an Botschaften geschrieben werden? Es gab keine endgültige Antwort. Ein
Vorschlag war, in die ILGA-Organisationen http://www.ilga.org/
einzutreten. Auch verbleibende Fragen der fortschrittlicheren Länder wurden
angesprochen: In Finnland gibt’s die Homoehe, Adoptionsrecht für lesbische
Ko-Mütter hingegen nicht.
Finanzen
Zum rund 770.000 Euro umfassenden Haushalt war auf dem letzten Council noch
nicht über den 2006-Etat-Einzelpunkt „Kosten der Treffen der Parteigremien“
beschlossen worden, weil es Gegenwind gegen Kürzungen und Konditionierungen
besonders bei den Regional-Netzwerken gab. Die Kürzungen sind zumindest in
diesem Jahr nötig, weil es im Oktober den Kongress geben wird, der alleine
100.000 Euro der 249.600 Euro Gesamtsumme für diesen Posten kosten wird. Man
einigte sich schließlich mit Blick auf die tatsächlich in 2005 angefallenen
Kosten darauf, das Mittelmeer- und das Adria-Netzwerk völlig zusammen zu legen,
sowie das Nordsee-, das Ostsee- und das Insel-Netzwerk einem gemeinsamen
Etatposten zuzuführen. Sehr aktive Gruppen wie die Grüne Jugend www.fyeg.org und andere haben sogar eine
leichte Etaterhöhung verzeichnen können. Die Ausgaben müssen ab jetzt von den
betreffenden Gremien in einem Konzept beantragt werden.
Neue Mitglieder
Als neue Mitglieder der EGP wurden anerkannt:
+ SMS - Partei der Jugend Sloveniens STRANKA
MLADIH SLOVENIJE http://www.sms.si/
(dazu Erklärung von SMS: http://www.sms.si/izjave/11-05-06_clanstvo-EFGP.htm)
+ ICV – Katalanische Partei
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Presseecho zur Vorstandswahl
http://www.dolomiten.it/nachrichten/artikel.asp?KatID=f&ArtID=76545
http://derstandard.at/?url=/?id=2437855
Grüne Berichte
http://www.ecogreens.gr/gr/modules.php?name=News&file=article&sid=225
(auf griechisch)
http://www.zieloni2004.pl/portal/index.php?s2=1797&PHPSESSID=428227b8ceb86a5ab55e704b31f5ef90
(auf polnisch)