Diana Siebert info@diana-siebert.de

Kölscher Filz oder Deutscher Klüngel?

Buchrezension: Wolfgang Hippe: Lokaltermin. Kassen, Konten und Karrieren. Korruption und Modernisierung in der Kommunalpolitik

Eine Woche vor der Kommunalwahl am 26.9.04 kam einer zum grünen Straßenfest an der Kitschburger Straße und verkaufte das frisch erschienene obige Buch. Leider geriet dieses nützliche Werk also nicht mehr in einen wahlbeeinflussenden Umlauf. Denn vor der Kommunalwahl schienen der Müllskandal und der SPD-Spendenskandal (wie auch der kleinere CDU-Spendenskandal) in ihrer Konkretheit vergessen und verdrängt - das Ergebnis war eine allgemeine Abneigung gegen etablierte Parteien und gegen Kommunalpolitik. Sehr schön also, dass Hippe die Korruptionsfälle um Trienekens, die Heugel-Affäre 1999 und die Spendenstückelung bei SPD und CDU noch einmal im Zusammenhang darstellt und auch die Rolle der Köln-Arena-Finanzierung und der Neven-Dumont-Medien einbezieht, ohne in Verschwörungstheorien zu verfallen.

Doch Hippe will mehr. Der Kölner möchte an dem Kölner Beispiel eine die Erscheinung der kommunalen Korruption analysieren. Er fragt, ob und warum solche und ähnliche Korruptionsfälle strukturell bedingt sind - und ob Köln ein Sonderfall ist, wie ja die Bundes-SPD behauptet hat.

Hippe wagt also einen weiten Schritt zwischen konkreter Analyse der Kölner (Korruptions-)Verhältnisse und der Bewertung der allgemeinen Bedingungen, unter denen Kommunalpolitik gemacht wurde, wird und werden wird. Auf beiden Feldern kommen wir auf unsere Kosten, aber die Schlussfolgerungen sind nicht immer zwingend. Hippes Buch hat seine Stärken auf beiden Gebieten, da er aber die Besonderheiten Kölns nicht heraustreicht, wird auch die Einordnung schwierig.

Als kommunalpolitische PraktikerInnen kennen wir das: viele denken, BezirksvertreterIn zu sein wäre ein gut bezahlter Vollzeitjob. Dieser Irrtum hat für Köln einen realen Hintergrund. Denn Köln ist die größte Stadt Deutschlands, die nicht zugleich Landeshauptstadt ist. Während das Saarland und Bremen als Bundesland Gesetze beschließen können, müssen in Köln ehrenamtliche Politiker in einer verschuldeten Stadt mit Nothaushalten und mit verbliebenen städtischen Gesellschaften Politik machen. Hippe tippt dies an (S. 46). Aber er verneint (S.10), dass deshalb Köln für Korruption oder Klüngel anfälliger als andere Städte ist. Den einzigen Unterschied zwischen Köln und dem Rest Deutschlands sieht Hippe in einer Art Folklore, dass in Köln im Guten wie im Korrupten immer „der Schuss Entschlossenheit fehlt“ (S.32). Wir, die wir in Köln leben, werden ihm da unbedingt Recht geben – aber die Frage bleibt , warum das so ist.

Eine andere oft geäußerte These: wenn eine Partei lange an der Macht ist (in Köln waren das 40 Jahre SPD), dann ist die Korruptionsanfälligkeit größer (S.11). Dies traf auf Köln sicherlich zu – eine Bestätigung würde eine vergleichende Analyse mit anderen Städten erfordern.

Einen anderen Zusammenhang stellt Hippe allenfalls indirekt her: er arbeitet gut heraus, dass die Kommunalpolitik angesichts der strukturell desolaten Finanzlage und immer neuen Lasten von Seiten des Bundes ihren Aufgaben weniger und weniger gewachsen ist. Hat dies etwas mit Korruptionsanfälligkeit zu tun?

Sind KommunalpolitikerInnen für Korruption besonders anfällig, weil sie viel näher am Geschehen sind als Landes- und BundespolitikerInnen?

All diese Fragen tippt Hippe an, und wie in einem Theaterstück mit offenem Ende überlässt er es uns, die letzten Schlussfolgerungen zu ziehen.

Es ist unter Politikern fast Allgemeingut, dass der Triekens-Skandal nach Quantität und Qualität viel bedeutender ist als der SPD-Spendenskandal. Aber weil von einem Politiker (immer noch!) mehr Sauberkeit erwartet wird als von einem Müllunternehmer, wird dies in der Öffentlichkeit oft nicht so wahrgenommen. Auch Hippe nähert sich den Skandalen von der Politik her, nicht von der Wirtschaft oder der Verwaltung. Das mag damit zu tun haben, dass er selbst politisch aktiv ist.

Offensichtlich muss der Autor mal näher was mit der SPD zu tun gehabt haben. Auf S. 106-125 berichtet Hippe sehr interessant über die SPD-internen Auseinandersetzungen der 70er Jahre, überspringt dann die 80er, um die Auseinandersetzungen der Kölner Partei der Macht in den 90ern wieder zu durchleuchten. Und plötzlich erinnern wir uns wieder, dass seit dem Auftritt von SPD-Fraktionsgeschäftsführer Rüther bei der Fete von SPD-Kassierer Biciste am 1. März 2002 innerhalb der SPD mit viel Dreck geworfen wurde. Hippe spricht es nicht ganz offen aus, aber die Lektüre seiner Seiten 73-74 und 77-80 lässt nur den Schluss zu, dass für den Autor feststeht, dass Werner Jung, Anita Cromme und Annelie Kever-Henseler zu Unrecht entmachtet und aus der SPD vertrieben wurden. Handelte es sich also um eine Rache an Funktionsträgern aus dem linken Flügel und an Mitgliedern, die nun teilweise beim Kölner Bürgerbündnis eine neue Heimstatt gefunden haben – während die Heugel-Schüler Ott und Börschel nun am Drücker sind? Diese These höre ich nicht zum ersten Mal – Hippe spricht sie aber nicht aus. Tatsächlich wurden ja dem rechten (Heugel, Rüther, Lüttgen) wie aus dem linken (Uhlenbruch, Gilges) Flügel der KölnSPD Funktionsträger entmachtet, ohne dass sich für sie nun jemand noch in die Bresche springt. Diese ganze Frage wäre nur von historischem Interesse, wenn es nicht ein Wesenszug der politischen Korruption wäre, dass sehr oft denjenigen, die sie bekämpfen wollen, eine schmutzige Sache angehängt wird – die Korrupten haben einen derart weiten Horizont, dass sie sogar von sich auf andere schließen können.

Also: Lesen!