Veranstaltungsort: Kulturzentrum GREND, Westfalenstr.311, 45276 Essen - Steele
Ich halte die Studie für gut. Christina Deckwirth hat deutlich
herausgearbeitet, wie konzentriert das Wasserwirtschaftsgeschäft schon ist,
welcher Kampf um Marktanteile entbrannt ist. Es werden Beispiele dafür
angeführt, dass die private Wasserversorgungswirtschaft ihren Auftrag gar
nicht erfüllt hat.
Besonders deutlich wird, dass die am GATS-Verhandlungen beteiligten
EU-Stellen sogar von sich aus um Lobbying bitten.
Ich komme sogleich zu einer produktiven Kritik.
In der Studie wird sehr richtig dargestellt, dass der Slogan von
Globalisierungskritikern "Wasser darf nicht zur Ware werden" von der
Realität überholt ist. Wasser ist schon eine Ware geworden, in denen
international operierende Konzerne mitmischen. Ich gehe noch weiter. Wasser
ist schon seit langem eine Ware - und nicht erst, seit 1992 in Dublin
ausgerufen wurde "Das Wasser hat einen ökonomischen Wert und sollte als
Wirtschaftsgut anerkannt werden" (s.4)
Denn Wasser war in bestimmen Regionen der Welt schon immer ein so kostbares
Gut, dass es zur Ware wurde. Für alle Stadien wurde auch gezahlt: für die
Gewinnung (Brunnenbau), für das Aufbereiten, für den Transport
(Wasserträger), für die Lagerung, für die Bereitstellung. Im 20. Jahrhundert
entstanden für all diese Schritte z.B. in Deutschland schon offensichtliche
Kosten (- ganz zu schweigen von den nicht eingerechneten Kosten der
Umweltzerstörung). Ich sage dies nicht aus historischer Spitzfindigkeit,
sondern um deutlich zu machen: Die Welt war vorher auch nicht einfach "in
Ordnung". Unsere öffentlichen Wasseranstalten in Deutschland sind starke
historische Errungenschaften. Wasser ist ein Menschenrecht - aber umsonst
ist es im 21. Jahrhundert weder so rum noch so rum zu haben. Wenn also ein
Vertreter der Firma SAUR sagt: "water should normally be free, but our job
is to sell it" , dann müssen wir auch den ersten Teil des Satzes
hinterfragen.
Ein weiterer Rückblick, der die Besonderheit des Wassers betrifft: Wasser
ist ja ein Gut, das als Ware sehr diversifiziert und kleinteilig gehandelt
wurde und wird. Einerseits, weil es es an so vielen Stellen gibt,
andererseits, weil sein Transport so teuer ist. Im Ergebnis gibt es bis
heute keinen Weltmarktpreis für Wasser. Dies und die wegen der hohen Kosten
damit verbundene Unmöglichkeit, Infrastrukturen wie Wasser und
Abwasserkanäle doppelt zu verlegen, zeigen, dass die Tendenz zu
Gebietsmonopolen in der Natur dieser Ware Wasser angelegt ist. Denn anders
als beim Telefon, wo es vielleicht gerade mal den Unterschied gibt, ob es in
der Leitung mehr oder weniger rauscht oder knackt, und anders als beim
Strom, dem man in der Steckdose nicht ansehen kann, wie er erzeugt wurde,
ist Wasser eben unterschiedlicher Qualität. Aktuell steht einem nur eine
Qualität zur Verfügung - die, die aus dem Wasserhahn kommt. Nur durch das
unökologische Kanister- und Flaschenwasser kann dieses Gebietsmonopol etwas
aufgebrochen werden. Auch in der nächsten Zeit wird es keinen
Weltmarktpreis für Wasser geben. Und so erweist sich, dass ausgerechnet
Wasser, von dem es doch so viel auf der Erde gibt, eben diese Tendenz zu
einer - öffentlichen oder privaten - Gebietsmonopol-Ware hat - mit all den
negativen Eigenschaften und Folgen von Monopolen.
Sauberes Wasser wird knapper, die Weltbevölkerung aber steigt, der
Wasserverbrauch je Kopf auch und wir alle brauchen es. Deshalb wird das
Wasser von den Konzernen euphorisch als Öl des 21. Jahrhunderts
gekennzeichnet. Welche Verbraucher-Politik sollen wir also verfolgen? Bei Öl
und anderen Energien haben wir als Grüne, als Ökologen die Ökosteuer
befürwortet und in Deutschland eingeführt. Aber Wasser ist etwas anderes als
Öl. Öl ist ein Rohstoff - Wasser ist ein Lebensmittel. Öl brennt, Wasser
brennt nicht. Wir können es also nicht besteuern wie bei der Ökosteuer -
obwohl es knapp ist und sorgsam behandelt werden muss.
Aber auf der anderen Seite können wir nicht sagen, Wasser ist ein
Grundrecht, Wasser ist ein Menschenrecht - und deshalb muss es für alle
umsonst sein, egal, wie knapp es ist. Die Atomindustrie der 70er Jahre
höhnte lächerlich über die Anti-AKW-Bewegung: "ha, ha, ha, wir brauchen
keine AKWs, bei uns kommt der Strom aus der Steckdose". Wir müssen aber
aufpassen, dass man uns nicht - mit viel mehr Berechtigung! - bald sagt:
"Wasser ist ein Menschenrecht, es kommt aus dem Wasserhahn".
In der Studie wird kritisiert, dass die Wasserkonzerne öffentliche Zuschüsse
für ihre Aktivitäten verlangen. Einverstanden. Die Firmen können auch als
Auftragnehmer die Infrastruktur für öffentliche
Wassergewinnung, -aufbereitung, -transport und -bereitstellung herstellen.
Aber auch da werden öffentliche Gelder ausgegeben. In Deutschland ist das
geregelt. Die Gebühren sollen die Kosten decken - nicht mehr und nicht
weniger. Das ist eine Art Kopf-Pauschale, oder besser: Tropfen-Pauschale.
Alle zahlen dasselbe, egal ob arm oder reich. In Deutschland fällt das nicht
auf, weil Wasser wenig Anteil an den Lebenshaltungskosten ausmacht. Aber in
Afrika und Asien ist dies wieder anders. Jede und jeder soll ja Zugang zu
sauberem Wasser haben. Stellt sich also die Frage danach, ob Wasser nicht
nur nicht besteuert - sondern sogar subventioniert werden soll oder nicht.
Und hier kommen wir in das politische Handgemenge. WEED hat ja als zweites E
seines Namens das "Ecology". Was ich in der Studie vermisse: zwar wird in
ihr kritisiert, dass die Wasserkonzerne wegen ihrer
Gewinnmaximierungsabsicht dieses menschenrechtliche Gut Wasser nach
betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten bewirtschaften. Wenn wir aber
sagen, wir wollen eine öffentliche Wasserwirtschaft (in welcher Rechtsform
auch immer), dann müssen wir die ökologischen und sozialen Kriterien auch an
diese anlegen. Aber wir kommen in den Konflikt: je mehr diese Kriterien,
diese Standards eingehalten werden, um so teurer wird das Wasser. Daran
ändert auch nichts, dass die öffentliche Hand viele Möglichkeiten hat, ihre
Kosten zu verstecken oder zu verschieden.
Soll also Wasser bestrahlt werden, um es haltbarer zu machen?
Sollen Staudämme gebaut werden, damit die Menschen an Trinkwasser gelangen?
Soll es denn überhaupt so starke Netto-Investitionen geben? Wofür ? Die
öffentliche Hand hat in den meisten Ländern gar kein Geld dafür. Die
praktische Frage lautet: sollen sich die "Öffentlichen" verschulden, um das
Menschenrecht auf Wasser zu gewährleisten?
Solche Fragen gibt es viele. Vielleicht gibt es von WEED ja noch eine andere
Studie, die sich mehr mit diesem Aspekt befasst. Um eine Position zu GATS zu
erhalten, ist es nötig, diese Fragen zu beantworten.
Ich würde nicht so sehr auf die Dichotomie privat-öffentlich zu sprechen
kommen, wenn nicht in der Studie die Lösung in der öffentlichen, staatlichen
Wasserwirtschaft gesucht würde.
Betrachten wir den Istzustand: 5 von den in der Studie kritisierten 8
negativen Eigenschaften der von Konzernen betriebenen Wasserwirtschaft
treffen auch auf die öffentlichen zu oder können auf sie in bestimmten
Fällen zutreffen, besonders wenn wir uns Länder in Asien oder Afrika vor
Augen halten:
- Zweiklassen-Wasserversorgung, privilegierter Zugang für Reiche
- schlechte Wasserqualität , die zu Krankheiten führt
- Monopole, die zu starken Verhandlungspositionen und Korruption führen.
Dort, wo es überhaupt keinen Markt gab, wie z.B. in der Sowjetunion , musste
sogar jeder Klempner bestochen werden. Noch korruptionsanfälliger sind PPPs,
und zwar auch dann, wenn die Privatfirmen "nur" im Auftrag der Öffentlichen
arbeiten.
- es werden keine ökologischen Kriterien eingehalten.
- keine Kontrolle, Partizipation oder Regulierungsmöglichkeit
Untypisch für die öffentliche Wasserversorgung sind ist lediglich die
Negativpunkte:
- überhöhte Preise
- Unsicherheit durch drohenden Rückzug, wenn die Gewinne nachlassen.
- Entlassungen durch Kostenreduzierung (obwohl dieser letzte Punkt auch bei
"Öffentlichen" Einzug erhält)
Zudem: In der Studie wird als positives Bespiel der Bürgerhaushalt von Porto
Allegre hervorgehoben. Aber welcher himmelschreiende Unterschied besteht
zwischen Porto Allegre und der "öffentlichen" Wasserversorgung
beispielsweise in Mittelasien, wo die Machtelite in der "öffentlichen" Hand
am Hebel sitzt, es überhaupt keine Bürgerbeteiligung gibt, der Aralsee
weiter austrocknet und Tiefbohrungen vorgenommen werden. Öffentlich ist
nicht gleich öffentlich. Es handelt sich hier um ein Beispiel des in der
3.-Welt-Politik üblichen Problems, dass man an den dortigen Eliten nicht
vorbeikommt und der üblichen Frage, ob ein "öffentlicher" Diktator besser
ist als ein internationaler Konzern. Es kommt also darauf an, dass die
gesellschaftlichen Kräfte der öffentlichen Hand auf die Finger schauen. Wir
brauchen starke Gesellschaften und eine freie Presse.
Gerade wir als ökologische denkende Menschen sollten immer im Bewusstsein
behalten, dass der Stausee nicht dann ökologischer ist, wenn er öffentlich
gebaut und betrieben wird. Dass der Wassertransport auf Schiffen von der
Türkei nach Israel nicht dann ökologischer ist, wenn es hier um einen
Staatsvertrag geht. Deshalb kann ich mich nicht der "Forderung" in der
Studie anschließen, dass wir "eine gezielte Förderung öffentlicher
Wasserversorgung ohne Auflagen" (Fett von D.Siebert) benötigen.
Noch etwas zu der Beurteilung des Transparenzgebots in der öffentlichen
Verwaltung nach GATS-Artikel III (im Manuskript s. 40) . Wir haben als
Grüne in Köln und NRW immer eine offene und transparente Verwaltung
gefordert - sofern sie nicht dem persönlichen Datenschutz zuwiderläuft.
Dass GATS verlangt, dass die "Mitgliedsländer Informationen über ihre
Regierungstätigkeit im Bereich Dienstleistungen offen legen" , das halte ich
an sich für gar nicht schlecht. Ich sehe sehr wohl genauso wie die Autorin
das Problem, dass dies die Lobbyarbeit der großen Konzerne vereinfacht.
Dieses Problem ist mir auch auf kommunaler Ebene schon aufgefallen: Wenn die
Stadt-Verwaltung alle Informationen nach außen weitergeben muss, bevor sie
handelt, dann wird es schwer , überhaupt eine "einheitliche
Verwaltungsmeinung" herzustellen, mithilfe derer gegenüber Investoren und
anderen Auftragsmehmern verhandelt werden kann. Und dennoch: von Transparenz
profitieren nicht nur Firmen, sondern auch die EinwohnerInnen und die
unabhängigen Medien. Das sieht man in Russland sehr deutlich. Und dass die
GATS-Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden - das kritisieren
ja sowohl GlobalisierungskritikerInnen als auch Grüne. Das Problem liegt
also vielmehr darin, dass die Transparenz bei GATS eine GETEILTE ist: die
einen erfahren etwas, die anderen nicht.
Ich bin sehr einverstanden, dass in Cancun noch nichts beschlossen wurde.
Aber nutzen wir die Zeit, den Dialog zwischen Globalisierungskritikern und
Grünen weiter zu führen, nutzen wir die Zeit, um gute, praktische,
funktionierende Alternativen zum privaten Zugriff auf das Allgemeingut
Wasser aufzuzeigen. Nur dann können wir die Menschen davon überzeugen, dass
der öffentliche Sektor gestärkt werden muss.