Diana Siebert
Diana Siebert zur Wasserfrage

Diana Siebert: Auch an die öffentliche Wasserwirtschaft harte öokologische und soziale Kriterien anlegen

mündlicher Kommentar zur WEED-Studie "Sprudelnde Gewinne? Transnationale Konzerne im Wassersektor und die Rolle des GATS" Wasserwirtschaft, internationales Konzerne und GATS" von Christiane Deckwirth anlässlich des Werkstattgesprächs Transnationale Konzerne, Privatisierung von Wasser und die Rolle des GATS am 1.12.2003 in Essen-Steele

Veranstaltungsort: Kulturzentrum GREND, Westfalenstr.311, 45276 Essen - Steele

Ich halte die Studie für gut. Christina Deckwirth hat deutlich herausgearbeitet, wie konzentriert das Wasserwirtschaftsgeschäft schon ist, welcher Kampf um Marktanteile entbrannt ist. Es werden Beispiele dafür angeführt, dass die private Wasserversorgungswirtschaft ihren Auftrag gar nicht erfüllt hat.
Besonders deutlich wird, dass die am GATS-Verhandlungen beteiligten EU-Stellen sogar von sich aus um Lobbying bitten.

Ich komme sogleich zu einer produktiven Kritik.

In der Studie wird sehr richtig dargestellt, dass der Slogan von Globalisierungskritikern "Wasser darf nicht zur Ware werden" von der Realität überholt ist. Wasser ist schon eine Ware geworden, in denen international operierende Konzerne mitmischen. Ich gehe noch weiter. Wasser ist schon seit langem eine Ware - und nicht erst, seit 1992 in Dublin ausgerufen wurde "Das Wasser hat einen ökonomischen Wert und sollte als Wirtschaftsgut anerkannt werden" (s.4)

Denn Wasser war in bestimmen Regionen der Welt schon immer ein so kostbares Gut, dass es zur Ware wurde. Für alle Stadien wurde auch gezahlt: für die Gewinnung (Brunnenbau), für das Aufbereiten, für den Transport (Wasserträger), für die Lagerung, für die Bereitstellung. Im 20. Jahrhundert entstanden für all diese Schritte z.B. in Deutschland schon offensichtliche Kosten (- ganz zu schweigen von den nicht eingerechneten Kosten der Umweltzerstörung). Ich sage dies nicht aus historischer Spitzfindigkeit, sondern um deutlich zu machen: Die Welt war vorher auch nicht einfach "in Ordnung". Unsere öffentlichen Wasseranstalten in Deutschland sind starke historische Errungenschaften. Wasser ist ein Menschenrecht - aber umsonst ist es im 21. Jahrhundert weder so rum noch so rum zu haben. Wenn also ein Vertreter der Firma SAUR sagt: "water should normally be free, but our job is to sell it" , dann müssen wir auch den ersten Teil des Satzes hinterfragen.

Ein weiterer Rückblick, der die Besonderheit des Wassers betrifft: Wasser ist ja ein Gut, das als Ware sehr diversifiziert und kleinteilig gehandelt wurde und wird. Einerseits, weil es es an so vielen Stellen gibt, andererseits, weil sein Transport so teuer ist. Im Ergebnis gibt es bis heute keinen Weltmarktpreis für Wasser. Dies und die wegen der hohen Kosten damit verbundene Unmöglichkeit, Infrastrukturen wie Wasser und Abwasserkanäle doppelt zu verlegen, zeigen, dass die Tendenz zu Gebietsmonopolen in der Natur dieser Ware Wasser angelegt ist. Denn anders als beim Telefon, wo es vielleicht gerade mal den Unterschied gibt, ob es in der Leitung mehr oder weniger rauscht oder knackt, und anders als beim Strom, dem man in der Steckdose nicht ansehen kann, wie er erzeugt wurde, ist Wasser eben unterschiedlicher Qualität. Aktuell steht einem nur eine Qualität zur Verfügung - die, die aus dem Wasserhahn kommt. Nur durch das unökologische Kanister- und Flaschenwasser kann dieses Gebietsmonopol etwas aufgebrochen werden. Auch in der nächsten Zeit wird es keinen Weltmarktpreis für Wasser geben. Und so erweist sich, dass ausgerechnet Wasser, von dem es doch so viel auf der Erde gibt, eben diese Tendenz zu einer - öffentlichen oder privaten - Gebietsmonopol-Ware hat - mit all den negativen Eigenschaften und Folgen von Monopolen.

Sauberes Wasser wird knapper, die Weltbevölkerung aber steigt, der Wasserverbrauch je Kopf auch und wir alle brauchen es. Deshalb wird das Wasser von den Konzernen euphorisch als Öl des 21. Jahrhunderts gekennzeichnet. Welche Verbraucher-Politik sollen wir also verfolgen? Bei Öl und anderen Energien haben wir als Grüne, als Ökologen die Ökosteuer befürwortet und in Deutschland eingeführt. Aber Wasser ist etwas anderes als Öl. Öl ist ein Rohstoff - Wasser ist ein Lebensmittel. Öl brennt, Wasser brennt nicht. Wir können es also nicht besteuern wie bei der Ökosteuer - obwohl es knapp ist und sorgsam behandelt werden muss.

Aber auf der anderen Seite können wir nicht sagen, Wasser ist ein Grundrecht, Wasser ist ein Menschenrecht - und deshalb muss es für alle umsonst sein, egal, wie knapp es ist. Die Atomindustrie der 70er Jahre höhnte lächerlich über die Anti-AKW-Bewegung: "ha, ha, ha, wir brauchen keine AKWs, bei uns kommt der Strom aus der Steckdose". Wir müssen aber aufpassen, dass man uns nicht - mit viel mehr Berechtigung! - bald sagt: "Wasser ist ein Menschenrecht, es kommt aus dem Wasserhahn".

In der Studie wird kritisiert, dass die Wasserkonzerne öffentliche Zuschüsse für ihre Aktivitäten verlangen. Einverstanden. Die Firmen können auch als Auftragnehmer die Infrastruktur für öffentliche Wassergewinnung, -aufbereitung, -transport und -bereitstellung herstellen. Aber auch da werden öffentliche Gelder ausgegeben. In Deutschland ist das geregelt. Die Gebühren sollen die Kosten decken - nicht mehr und nicht weniger. Das ist eine Art Kopf-Pauschale, oder besser: Tropfen-Pauschale. Alle zahlen dasselbe, egal ob arm oder reich. In Deutschland fällt das nicht auf, weil Wasser wenig Anteil an den Lebenshaltungskosten ausmacht. Aber in Afrika und Asien ist dies wieder anders. Jede und jeder soll ja Zugang zu sauberem Wasser haben. Stellt sich also die Frage danach, ob Wasser nicht nur nicht besteuert - sondern sogar subventioniert werden soll oder nicht.

Und hier kommen wir in das politische Handgemenge. WEED hat ja als zweites E seines Namens das "Ecology". Was ich in der Studie vermisse: zwar wird in ihr kritisiert, dass die Wasserkonzerne wegen ihrer Gewinnmaximierungsabsicht dieses menschenrechtliche Gut Wasser nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten bewirtschaften. Wenn wir aber sagen, wir wollen eine öffentliche Wasserwirtschaft (in welcher Rechtsform auch immer), dann müssen wir die ökologischen und sozialen Kriterien auch an diese anlegen. Aber wir kommen in den Konflikt: je mehr diese Kriterien, diese Standards eingehalten werden, um so teurer wird das Wasser. Daran ändert auch nichts, dass die öffentliche Hand viele Möglichkeiten hat, ihre Kosten zu verstecken oder zu verschieden.

Soll also Wasser bestrahlt werden, um es haltbarer zu machen?
Sollen Staudämme gebaut werden, damit die Menschen an Trinkwasser gelangen?
Soll es denn überhaupt so starke Netto-Investitionen geben? Wofür ? Die öffentliche Hand hat in den meisten Ländern gar kein Geld dafür. Die praktische Frage lautet: sollen sich die "Öffentlichen" verschulden, um das Menschenrecht auf Wasser zu gewährleisten?

Solche Fragen gibt es viele. Vielleicht gibt es von WEED ja noch eine andere Studie, die sich mehr mit diesem Aspekt befasst. Um eine Position zu GATS zu erhalten, ist es nötig, diese Fragen zu beantworten.

Ich würde nicht so sehr auf die Dichotomie privat-öffentlich zu sprechen kommen, wenn nicht in der Studie die Lösung in der öffentlichen, staatlichen Wasserwirtschaft gesucht würde.
Betrachten wir den Istzustand: 5 von den in der Studie kritisierten 8 negativen Eigenschaften der von Konzernen betriebenen Wasserwirtschaft treffen auch auf die öffentlichen zu oder können auf sie in bestimmten Fällen zutreffen, besonders wenn wir uns Länder in Asien oder Afrika vor Augen halten:
- Zweiklassen-Wasserversorgung, privilegierter Zugang für Reiche
- schlechte Wasserqualität , die zu Krankheiten führt
- Monopole, die zu starken Verhandlungspositionen und Korruption führen. Dort, wo es überhaupt keinen Markt gab, wie z.B. in der Sowjetunion , musste sogar jeder Klempner bestochen werden. Noch korruptionsanfälliger sind PPPs, und zwar auch dann, wenn die Privatfirmen "nur" im Auftrag der Öffentlichen arbeiten.
- es werden keine ökologischen Kriterien eingehalten.
- keine Kontrolle, Partizipation oder Regulierungsmöglichkeit

Untypisch für die öffentliche Wasserversorgung sind ist lediglich die Negativpunkte:
- überhöhte Preise
- Unsicherheit durch drohenden Rückzug, wenn die Gewinne nachlassen.
- Entlassungen durch Kostenreduzierung (obwohl dieser letzte Punkt auch bei "Öffentlichen" Einzug erhält)

Zudem: In der Studie wird als positives Bespiel der Bürgerhaushalt von Porto Allegre hervorgehoben. Aber welcher himmelschreiende Unterschied besteht zwischen Porto Allegre und der "öffentlichen" Wasserversorgung beispielsweise in Mittelasien, wo die Machtelite in der "öffentlichen" Hand am Hebel sitzt, es überhaupt keine Bürgerbeteiligung gibt, der Aralsee weiter austrocknet und Tiefbohrungen vorgenommen werden. Öffentlich ist nicht gleich öffentlich. Es handelt sich hier um ein Beispiel des in der 3.-Welt-Politik üblichen Problems, dass man an den dortigen Eliten nicht vorbeikommt und der üblichen Frage, ob ein "öffentlicher" Diktator besser ist als ein internationaler Konzern. Es kommt also darauf an, dass die gesellschaftlichen Kräfte der öffentlichen Hand auf die Finger schauen. Wir brauchen starke Gesellschaften und eine freie Presse.

Gerade wir als ökologische denkende Menschen sollten immer im Bewusstsein behalten, dass der Stausee nicht dann ökologischer ist, wenn er öffentlich gebaut und betrieben wird. Dass der Wassertransport auf Schiffen von der Türkei nach Israel nicht dann ökologischer ist, wenn es hier um einen Staatsvertrag geht. Deshalb kann ich mich nicht der "Forderung" in der Studie anschließen, dass wir "eine gezielte Förderung öffentlicher Wasserversorgung ohne Auflagen" (Fett von D.Siebert) benötigen.

Noch etwas zu der Beurteilung des Transparenzgebots in der öffentlichen Verwaltung nach GATS-Artikel III (im Manuskript s. 40) . Wir haben als Grüne in Köln und NRW immer eine offene und transparente Verwaltung gefordert - sofern sie nicht dem persönlichen Datenschutz zuwiderläuft.
Dass GATS verlangt, dass die "Mitgliedsländer Informationen über ihre Regierungstätigkeit im Bereich Dienstleistungen offen legen" , das halte ich an sich für gar nicht schlecht. Ich sehe sehr wohl genauso wie die Autorin das Problem, dass dies die Lobbyarbeit der großen Konzerne vereinfacht. Dieses Problem ist mir auch auf kommunaler Ebene schon aufgefallen: Wenn die Stadt-Verwaltung alle Informationen nach außen weitergeben muss, bevor sie handelt, dann wird es schwer , überhaupt eine "einheitliche Verwaltungsmeinung" herzustellen, mithilfe derer gegenüber Investoren und anderen Auftragsmehmern verhandelt werden kann. Und dennoch: von Transparenz profitieren nicht nur Firmen, sondern auch die EinwohnerInnen und die unabhängigen Medien. Das sieht man in Russland sehr deutlich. Und dass die GATS-Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden - das kritisieren ja sowohl GlobalisierungskritikerInnen als auch Grüne. Das Problem liegt also vielmehr darin, dass die Transparenz bei GATS eine GETEILTE ist: die einen erfahren etwas, die anderen nicht.

Ich bin sehr einverstanden, dass in Cancun noch nichts beschlossen wurde. Aber nutzen wir die Zeit, den Dialog zwischen Globalisierungskritikern und Grünen weiter zu führen, nutzen wir die Zeit, um gute, praktische, funktionierende Alternativen zum privaten Zugriff auf das Allgemeingut Wasser aufzuzeigen. Nur dann können wir die Menschen davon überzeugen, dass der öffentliche Sektor gestärkt werden muss.